Interview mit dem ungarisch-österreichischen Tourismusberater Balázs Kovács
WIR REISEN WIEDER: Balázs, wegen der Corona-Pandemie ist der internationale Tourismus nach wie vor stark eingeschränkt. Welche Auswirkungen hat das auf den Tourismus zwischen Österreich und Ungarn?
BALÁZS KOVÁCS: Ungarn und Österreich hatten immer intensive Tourismusbeziehungen. Es gibt aber immer noch viel Luft nach oben, um das Potential voll auszuschöpfen, sich gegenseitig besser kennen zu lernen und die touristischen Vorzüge der beiden Länder noch mehr wertzuschätzen. Die Kooperationen werden jetzt noch professioneller und dadurch noch mehr aufgewertet werden. Da bin ich mir sicher.
Wie beurteilst Du die Zukunft des Tourismus?
In wissenschaftlichen Tourismus-Workshops liegt der Fokus im Bereich Tourismusentwicklung schon beinahe seit eineinhalb Jahrzehnten auf eine höhere Erlebnisqualität, mehr Regionalität und Nachhaltigkeit. Sowohl in Ungarn gab es entsprechende nationale Tourismus-Strategien, so wie es in Österreich bereits vor Corona den so genannten „Plan T – Masterplan für Tourismus” gab. In beiden Ländern geht es um die Umsetzung von qualitativ hochwertigen Produkten, mit dem Ziel qualitätsvollen Erlebnisraum zu schaffen, zu fördern und zu schützen. Ich bin davon überzeugt, dass die Krise viele Touristiker wie Konsumenten zum Umdenken bringen wird. Die Chancen für die Schaffung einer mitteleuropäischen touristischen Musterregion waren noch nie so groß wie heute.
Worin begründet sich Deine Zuversicht?
„Aufgrund des in den vergangenen Monaten häufig verkündeten Credos wird sich in Zukunft ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein etablieren. Werte wie Regionalität, Nachhaltigkeit und Authentizität werden eine neue Gewichtung erhalten. Entsprechend des Tourismus Wettbewerbs-Index des Weltwirtschaftsforums (WEF) haben nicht nur Ungarn, sondern auch sämtliche mitteleuropäischen Länder - man könnte auch sagen, die Länder der Donauregion - eine hervorragende Bewertung in den Bereichen Hygiene, Sicherheit und Nachhaltigkeit erhalten. Es lohnt sich, auf diesen Stärken eine gemeinsame Produktentwicklung aufzubauen und die Marketingaktivitäten diesen neuen Narrativen anzupassen.
Wie kann das geschehen?
In Zukunft wird es um eine noch stärkere Zusammenarbeit zwischen den Destinationen (den qualitativ hochwertigen Erlebnisräumen) und um deren Vernetzung gehen. Die Zahl und das Ausmaß der regional bedeutsamen internationalen Interaktionen wird ansteigen, das Destinationsmanagement wird ausgeprägter. Es werden neue kreative grenzüberschreitende Netzwerke entstehen, die viel Innovationsgeist zur Produktentwicklung geben. Es gibt viele guten Beispiele. Die Narrativen der Tourismuszukunft sind fertig, es ist unsere Verantwortung, jetzt als Branche zu handeln. Die Zukunft hat bereits begonnen!
Und warum sollte Corona ein Impuls dazu sein?
Deák Ferenc, der „Weise der ungarischen Nation”, sagte einst, dass ein falsch zugeknöpfter Mantel zuerst vollständig aufgeknöpft werden muss, bevor mit dem Zuknöpfen von Neuem begonnen werden kann. Jetzt sind wir in der Situation, das Zuknöpfen von Neuem zu beginnen. Das ist eine historische Gelegenheit und gleichzeitig auch eine Verantwortung, die nur gemeinsam wahrgenommen werden kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Balázs Kovács war viele Jahre ungarischer Tourismusdirektor in Wien und arbeitet nun mit seinem Unternehmen GD Consulting als Tourismus-Experte und selbständiger Berater grenzüberschreitend in Wien und Budapest.
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